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Höchst bei Frankfurt
ist vor allem durch seinen gleichnamigen Chemie-Riesen und die örtliche
„Jahrhunderthalle“ berühmt. Wenn ich an die Schlagzeilen
zu Beginn der 90er Jahre zurückdenke, für die Höchst
verantwortlich war, so erscheint es mir heute fast wie ein Wunder,
dass diese Halle das letzte Jahrhundert so unbeschadet überstand.
Vielleicht daher der Name.
Das wiederum war den am vergangenen Sonntag anwesenden
Gästen relativ egal, denn sie wollten ausschließlich
mit ihrem Idol Farin Urlaub und seinem Racing Team feiern. Und so
fanden sich bereits gegen Mittag Hunderte von zumeist jugendlichen
Konzertbesuchern vor den Toren der Jahrhunderthalle ein. Auch ich
traf bei den herrschenden Außentemperaturen entschieden zu
früh in Höchst ein. Die neunzigminütige Wartezeit
versüßte ich mir durch eine Banane, ein Bier und einen
Schoko-Riegel. In der Reihenfolge. Beim Anblick der beiden DIXI-Häuschen
beschloss ich aber, mir keinen Kaffee mehr an der benachbarten Tankstelle
zu kaufen.
Gegen 18:40 hatten die Security-Leute ein Einsehen und ließen,
mäßig aber regelmäßig, die frierenden Fan-Scharen
in die Halle. Dort konnte sich die Meute wie in einem großen
Kino-Palast mit überteuerten Getränken und Speisen eindecken.
Nur gab es keinen Film, sondern ein Konzert und das begann erst
80 Minuten später. So folgte auch ich dem Ruf des Raubtierkapitalismus,
kaufte mir einen non-fair-trade Kaffee und wärmte meine erschöpften
Glieder. Nach einigen Minuten folgte ich dem Pulk, der sich langsam
in Richtung Halleneingang in Bewegung setzte. Unterwegs „verloren“
nicht wenige Mitläufer ihr teures Geld am strategisch günstig
aufgebauten Merchandising-Stand, der zu meinem Entsetzen kein Vinyl
hatte. Der Schock verflog jedoch schnell, denn ich konnte mir in
der Halle einen guten Stehplatz in der Nähe der Tontechniker
ergattern und lauschte andächtig den Witzen meiner Nachbarn.
Die meisten davon waren dermaßen schlecht, dass ich es mir
fast überlegte, meinen Platz aufzugeben. Dazu kam es dann glücklicherweise
doch nicht, weil Herr Urlaub über ein gutes Zeitmanagement
verfügt und deswegen bereits kurz nach 20 Uhr die ersten Klänge
des neuen Songs „Nichimgriff“ ertönten. Die Masse
war aus dem Häuschen und bereits nach diesem Lied erschienen
die ersten Konzertgäste, die sich beim Pogo tanzen möglicherweise
ein wenig überschätzt hatten, bei den Jungs und Mädels
vom Roten Kreuz. Einige Schwächeanfälle in der ausverkauften
und dementsprechend stickigen Jahrhunderthalle bekam ich ebenso
mit. Aber im Vergleich zu einem Konzert von Tokio Hotel war das
für die Rettungshelfer heute eher ein Konzert der ruhigeren
Sorte, auch wenn so manches Mädchen, das seinen BH auf die
Bühne geworfen hatte, mit Wärmedecken versorgt werden
musste. Allerdings erst nach dem Konzert, denn währenddessen
sorgte Farin Urlaub mit seinem Racing Team für ein spektakuläres
Live-Erlebnis, bei dem die besten Songs der vier Alben dem Publikum
ohne viel Gerede (s.Ärzte) dargeboten wurden. Und in welcher
Perfektion! Meine musikalischen Höhepunkte waren an diesem
Abend die Lieder „Sonne“, „Lieber Staat“
und vor allem „Zehn“. Gerade beim zuletzt genannten
Song merkte man, wie viel Spaß das Publikum an diesem Abend
hatte und wie bereitwillig sie mit den Künstlern dieses Konzert
zu einem ganz besonderen machten. Oder wo sonst setzen sich Tausende
von Menschen ohne Willkür und Zwang geschlossen auf den Boden,
um just im nächsten Augenblick so intensiv zu hüpfen,
dass so manchem Statiker oder Bauingenieur schlecht werden müsste?!
Eben.
Übrigens wussten auch die Lieder des neuen Albums „Die
Wahrheit übers Lügen“ zu gefallen. Die Fans kannten
jede Zeile und auch ich stimmte hin und wieder in den Gesang ein,
was ich sonst u.a. aufgrund meiner eher bescheidenen Sänger-Qualitäten
ganz selten mache.
Aber an diesem Abend war das in Ordnung und, wie
gesagt, es machte einen Riesenspaß!
Diese gute Laune nahm ich mit, als ich gegen 22:10 Uhr, kurz vor
Ende des Konzerts, die Halle verließ. Ich ahnte schon, dass
mein Heimweg lang, länger als der Hinweg, werden würde.
Und so kam es dann auch, wohl auch deshalb, weil ich gedanklich
immer noch bei den hübschen Frauen des Racing Teams war. Und
natürlich auch bei Farin Urlaub. Ganz klar.

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